EU - Feindbild Säkularisierung?

Der Präsident des EU-Parlaments Jerzy Buzek  hat anlässlich eines Gebetsfrühstücks die Säkularisierung scharf angegriffen. Der frühere polnische Premierminister sieht im Christentum die eigentliche Stärke Europas, die es zu bewahren gelte. Buzek nutzte seine Ansprache für eine heftige Attacke gegen  "aggressive" Säkularisten, welche den Geist Europas zu zersetzen drohten. Er bezeichnete sie als intolerante Minderheit, die den Glauben in die Enge des Privaten zu zwingen suchten. Solche Bestrebungen würden die Religionsfreiheit vollends in ihr Gegenteil verkehren. Der Protestant warnte davor, dass die Säkularisierung die Menschen nicht befreie, sondern zu ihrer "Versklavung" führe, denn im Laufe der  Geschichte hätten totalitäre Ideologien unweigerlich die Lücke gefüllt, die durch das Verschwinden des Kreuzes entstanden sei. Dabei seien die Gründerväter des vereinten Europas "aktive Christen" gewesen.

Terry Sanderson, Präsident der National Secular Society, reagierte postwendend: "Das ist Unsinn, 1500 Jahre "christlicher Werte" haben den Kontinent nicht vor blutigen Konflikten zu bewahren vermocht,  sie haben vielmehr endlose Religionskriege befeuert. Nun erleben wir eine ungewohnt lange Epoche des Friedens, während  das Christentum auf dem Rückzug ist. Diese Entwicklung zeigt, dass  Religion keineswegs eine unabdingbare Voraussetzung für ein friedliches Zusammenleben ist. Die Wiederkehr starker, sektiererischer Glaubensbewegungen birgt die Gefahr neuer sozialer Konflikte, und könnte Intoleranz und Ungerechtigkeit schüren.”

Sophie in ‘t Veld, Vorsitzende der Europäischen Plattform für säkulare Politik (EPPSP) sah sich zu einem offenen Brief veranlasst, in dem sie die mangelhafte Umsetzung des Artikel 17 des Vertrages von Lissabon beklagt. Dieser verpflichtet die Europäische Union zu einem offenen, transparenten und regelmässigen Dialog mit Kirchen und nichtreligiösen (konfessionslosen und philosophischen) Organisationen. An die Mitglieder des zuständigen Büros gewandt kritisierte sie, dass die Treffen bisher nur die organisierten Bürger berücksichtigen und Millionen weltanschaulich ungebundener Bürger ausgeschlossen bleiben. Besorgniserregend seien auch die Statements einzelner ranghoher EU-Beamten, die sich persönlich gegen eine Trennung von Kirche und Staat aussprechen, und somit in einem krassen Widerspruch zur säkularen Natur des Gemeinschaftsprojektes stehen.

Die wachsende Einflussnahme religiöser Kreise auf Politik und Behörden - die katholische Bischofskonferenz zählt zu den mächtigsten Lobbies in Brüssel -  zeigt sich zBsp. im letztjährigen Entscheid des EGMR im Kruzifixstreit Lautsi vs Italien: Nachdem die kleine Kammer der Beschwerde der Familie zuvor einstimmig stattgegeben hatte, wurde dieses Urteil im März 2011 mit nur 2 abweichenden Meinungen  kassiert.

Quelle: Allianz für ein säkulares Europa

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