F. J. Wetz: Texte zur Menschenwürde

(hpd) In dieser Textsammlung zur Menschenwürde zeigt sich auf erschreckende Weise, wie sehr die Vorstellungswelt der grössten Denker ihrer Zeit von absurdem Gedankengut getränkt war: Der Mensch schaffte sich einen Gott und leitete reflexiv von diesem selbst erschaffenen Gott eine Gottähnlichkeit ab, die als Legitimation für die Unterscheidung zwischen Mensch und Tier, für die Existenz einer besonderen Würde herangezogen wurde. Als Mensch hatte man definitionsgemäß über Jahrhunderte, Jahrtausende die Wahl, ob man ein Tier oder gottgleich sein wollte. Thomas von Aquin war sogar der Meinung, tierähnliche Menschen dürften getötet werden (S. 70).

Es entsteht bei der Lektüre ein Verständnis für geschichtliche Entwicklungen und es kann sich eine gewisse Betrübnis einstellen, wenn deutlich wird, wie sehr wir noch heute beeinträchtigt werden von Vorstellungen über die religiös begründete Besonderheit des Menschen, welche sich beispielsweise in der Aussage eines Staatsrechtlers (Ernst Wolfgang Böckenförde) niederschlagen, die Menschenwürde beginne bei der Befruchtung. Zum Glück gibt es auch andere Juristen, wie etwa Matthias Herdegen, die naturalistische Positionen in ihr Rechtsverständnis einbinden.

Wetz stellt etliche Philosophen, Denker und Dichter vor, die überaus bedenkenswerte Ansätze vertreten, wie beispielsweise Tzvetan Todorov, der am Beispiel des Alltags in den Konzentrationslagern des 20. Jahrhunderts die Menschenwürde vor dem Hintergrund extremer Notsituationen erläuterte. Somit belohnen insgesamt nicht nur die Diskrepanz der Positionen, sondern auch anderweitig anregende Gedanken die Lektüre der Textsammlung zur Menschenwürde. Ob es Menschenwürde überhaupt gibt, und wenn ja, wie sie sich gestaltet, mag ein jeder nach der Lektüre selbst entscheiden.

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