Anderssexuelle und Religion: Das passt nicht zusammen…

Für das Magazin Pink Mail von Pink Cross, dem Schweizer Dachverband der Schwulen, hat Valentin Abgottspon, Vize-Präsident der FVS, einen Text mit dem Titel «Anderssexuelle und Religion: Das passt nicht zusammen…» verfasst.

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Er ist in deutscher und französischer Sprache im Heft abgedruckt.

Das komplette Heft findet ihr hier zum Download als PDF: PDF zum Herunterladen.

Hier eine Version mit Inhaltsangabe und dem Freidenker-Beitrag: PDF zum Herunterladen (Beitrag Valentin Abgottspon).

Zur Frage um Homo- und Anderssexualität, LGBTIQ usw., aber auch zu Kirchen-, Religions- und Ideologiekritik allgemein und zu unser Huonder-Plakataktion hat Valentin Abgottspon auch im Ketzer-Podcast Spezial vom August 2015 Auskunft gegeben [dauert etwa 1h35]:

Link auf Sendungsseite (dort Links auf Feed, MP3 usw.) Link auf YouTube-Video

Hier ein Link zur Huonder-Plakataktion: http://www.frei-denken.ch/de/2015/08/freidenker-rufen-katholiken-mit-plakaten-auf-uber-kirchenaustritt-nachzudenken/ mit Pressestimmen. Von der Neuen Zürcher Zeitung wurden wir beispielsweise als «clever» bezeichnet.

Text deutsch

Anderssexuelle und Religion: Das passt nicht zusammen...

Valentin Abgottspon ist Vize-Präsident der Freidenker- Vereinigung der Schweiz (FVS), welche sich für die Anliegen der konfessionsfreien Menschen in der Schweiz einsetzt. Er wurde 2010 an einer staatlichen Schule im Oberwallis fristlos entlassen, weil er sich weigerte, ein Kruzifix in sein Schulzimmer zu hängen und weil er sich für säkularere Schulen einsetzte. Die FVS hat im August per Plakatkampagne und Offenem Brief «Liebe Katholiken, Huonder tritt nicht aus, wie steht’s mit euch?» die KatholikInnen zum Nachdenken aufgefordert und eine Diskussion angestossen.

VON VALENTIN ABGOTTSPON

Beginnen wir mit dem Wichtigen: Es gibt viele Ausprägungen von harmloser Religiosität, welche mit Intoleranz gegen Andersdenkende, Anderssexuelle, Andersreligiöse oder Ungläubige wenig am Hut haben. Menschenfeindlichkeit und Hass muss man dort mit der Lupe suchen. Auch in meinem familiären Umfeld gibt es viele liberale, offene, tolerante Religiöse.

Es scheint in Westeuropa einfach geworden zu sein: Spässe machen über die ewiggestrige Kurie, über fundamentalistische Evangelikale, Kreationisten und Gegner der Aufklärung (sowohl historisch-philosophisch gemeint als auch den Schulunterricht betreffend sexuelle Vielfalt und Toleranz meinend). Tatsächlich bleibt aber ganz Vieles: Traurig. Tödlich. Dort, wo sie noch kann, verbietet die römisch-katholische Kirche den freien Gedanken und die freie Tat. Das Kondomverbot richtet im von HIV/AIDS heimgesuchten Kontinent Afrika Fürchterliches an. Wer in einer katholikalen oder evangelikalen Familie in der Schweiz aufwächst, und irgendwann merkt, dass er sexuell oder anderswie nicht in das erlaubte Schema passt, wird sein übles Wunder erleben: Es kann zu Ausgrenzung und Tragödien bis hin zum Suizid führen.

Bischof Lovey aus dem Vatikanton Wallis hat die Homosexualität unlängst als heilbar bezeichnet. Ich frage: Was, wenn nicht eine Krankheit sollte man meinen, heilen zu müssen? Er hat zudem vernehmen lassen, dass Homosexuelle unter ihrem Zustand leiden. Ich aber sage euch: Ja. Das kann sein. Gerade darum, weil es Leute wie dich gibt, welche ein Klima der Intoleranz und des Unverständnisses säen.

Bischof Vitus Huonder habe ich bereits (mehr oder weniger im Scherz) als «Hassprediger aus dem Nahen Osten*» bezeichnet. Tatsächlich, was er sagt: Es ist für mich so ziemlich das genaue Gegenteil von «Liebe».

Ich denke: Von dergleichen Menschenfeindlichkeit, Intoleranz und Rückwärtsgewandtheit distanziert man sich am Besten durch einen Kirchenaustritt. Wir müssen sagen: «Nicht in unserem Namen, nicht mit uns!»

Tragisch bleibt: Dass wir als Steuerzahler gezwungen sind, trotz Kirchenaustritt, in vielen Kantonen diese reaktionäre Ideologie und ihre Institutionen mitzufinanzieren.

Politisch sieht es nicht viel besser aus: Die diskriminierende CVP-Initiative kommt eben nicht von ungefähr aus der christlichen Ecke. Gerade so genannt bürgerliche Kreise, welche sich ansonsten stark gegen jegliche Frauenquote zu wehren wissen, wollen in der Zivilehe eine strikte 50%-Frauen-Quote durchsetzen. Ich bin da liberaler. Ich bin dafür, dass bei der Ehe (mit Adoptionsrecht) auch ein Frauenanteil von 0% oder 100% möglich sein soll.

Wichtig ist mir das ethische Argument: Viele Menschen bleiben noch Mitglied einer Kirche, weil sie denken, dass diese sozial wichtige Aufgaben erfülle. Es ist oft schlichte Gewohnheit oder gar Faulheit, dass man dem inneren Kirchenaustritt noch nicht den formellen folgen liess. Man geht halt zu Weihnachten und zu einer Beerdigung vielleicht noch in eine Kirche. Diese Menschen sollten aber bedenken, was sie mit dieser vermeintlichen «Passiv-Mitgliedschaft» alles an irrationalem und intolerantem Ballast mitunterstützen.

Werte wie Pressefreiheit, Gleichberechtigung der Frauen, Abschaffung der Prügelstrafe, Kunstfreiheit, Forschungsfreiheit usw.: Diese wurden sämtliche GEGEN die etablierten religiösen Bremser durchgesetzt. Von Progressiven, von Freidenkern, Humanisten, Demokraten usw. Wir dürfen die Religiösen fragen: Warum seid ihr immer noch auf eurem hohen moralisierenden Ross? Wo ihr doch bei so vielen Fragen auf dem falschen Dampfer wart? Beim Frauenstimmrecht aber jetzt aktuell auch bei den Fragen bezüglich Sexualität, Verhütung, Familie, Recht auf selbstbestimmtes Sterben, Abtreibung usw.

Bei anderen monotheistischen Religionen sieht es im Grossen und Ganzen nicht viel besser oder heller aus. Und die Ausrede, dass «das alles nichts mit dem Islam/Christentum/Religion... zu tun hat!» dürfen wir nicht gelten lassen. Fundamentalistisch verstandene Religion ist nicht die einzige Form von Religiosität. Aber sie ist die schädlichste. Und wir dürfen immer wieder daran erinnern: Wir können ohne Religion gottlos gut und gottlos glücklich sein. Wir setzen den Menschen ins Zentrum und leiten unsere ethischen Regeln aus dem vernünftigen Dialog und der Wissenschaft her. Ohne vermeintlich heilige und unangreifbare Schriften. Ohne Päpste und Patriarchen. Wir Freidenkerinnen und Freidenker brauchen uns keine grausligen Stellen aus «heiligen Schriften» zurechtzulügen oder zurechtzubiegen. Wir haben einen ethischen Werkzeugkasten, der tipptopp funktioniert: Gemeinsam, statt ausgrenzend.

*vom Wallis aus gesehen liegt Graubünden im Nahen Osten

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