FAQ zur Konfessionsfreiheit an der Volksschule

Die Einschulung steht bevor, und viele konfessionsfreie Eltern fragen sich, wie es mit ihren Rechten an der Volksschule aussieht. Wir haben die häufigsten Fragen zusammengestellt.

Christentum an der Volksschule

Viele kantonale Schulgesetze nehmen explizit Bezug auf das Christentum, auf "christliche Werte" etc. Diese Bezüge sind als Floskeln nicht beachtlich und dürfen die Religionsfreiheit der Konfessionsfreien nicht beschneiden.

Übersicht über die Gesetze in den Kantonen:

http://www.frei-denken.ch/de/2009/10/erwahnung-des-christentums-in-den-schweizer-schulgesetzen-2/

Dispension

Religionsunterricht ist grundsätzlich ein Fakulativfach. Eine Dispension ist deshalb nicht nötig. In den Kantonen gelten aber unterschiedliche Regelungen, was den konfessionellen Unterricht an der Volksschule betrifft. Es gibt immer noch Gemeinden, in denen Messebesuch o. Ä. auf dem Stundenplan stehen. Eltern haben das Recht, ihr Kind von jeglichem Unterricht mit religiösem Inhalt zu dispensieren. Dazu genügt ein einfaches Schreiben an die Lehrkraft.

Blockzeiten

Immer wieder kommt es vor, dass Religionsstunden zwar fakultativ sind, aber innerhalb des Stundeplans so angesetzt werden, dass Blockzeitenregelungen verletzt werden.

Im Kanton SZ ist z.B. klar geregelt, dass die Schule für die Erstellung des Stundenplans verantwortlich ist und auch für die Betreuung von Kinder, falls der Religionsunterricht die Blockzeiten verletzt: http://www.sz.ch/documents/fragen_zu_blockzeiten_09.pdf

Trotzdem kann es  nicht angehen, dass nicht obligatorische Stunden die Blockzeiten verletzen und den Kindern faktisch eine längere Verweildauer an den Schulen aufgenötigt wird. Wehren Sie sich, wenn an Ihrer Schule die Blockzeiten (vormittags 8-12) mit Religionsunterricht belastet werden. Die Morgenstunden sollen für den Pflichtunterricht vorbehalten sein! Die Geschäftsstelle der FVS ist Ihnen bei den nötigen juristischen Abklärungen gerne behilflich.

Evolutionstheorie

Die Evolutionstheorie ist in vielen Kantonen im Lehrplan nicht explizit erwähnt. Sie kommt - wenn überhaupt - in der Sekundarstufe vor.

http://www.frei-denken.ch/de/2006/12/evolution-in-schweizer-volksschul-lehrplanen/

Eltern sollten hellhörig sein und einschreiten, wenn Lehrpersonen erklären, dass den Kindern sowohl die Evolutionstheorie wie die Schöpfungsgeschichte im Biologieunterricht präsentiert werden mit dem Argument, die Kinder müssten selber entscheiden, was sie für richtig halten. Damit wird der Wissenschaftsbegriff pervertiert.

Eine Webseite von Schweizer Lehrern zum Thema: http://www.schule-und-evolution.ch

Fromme Lehrperson

Wir wissen, dass die Lehrerin unserer Tochter einer Freikirche angehört. Wie können wir unser Kind vor Missionierung schützen?

Fromme LehrerInnen  sind ein potentielles Problem:  die FVS hat 2009 eine Stellungnahme dazu verfasst:  Fromme LehrerInnen – ein potentielles Problem.

 

Spätestens seit dem hochinteressanten SF-Bericht der Rundschau wissen wir, dass evangelikale Lehrer systematisch durch die Vereinigten Bibelgruppen VBG darin unterstützt werden, ihr Gedankengut in die regulären Unterrichtsfächer einfliessen zu lassen.

Zur Mission via Kinderlieder und Musicals siehe unten unter dem Stichwort "Musik".

Kruzifix

In der städtischen Schule (Kt. LU) muss meine Tochter einen leidenden Jesus am Kreuz im Klassenzimmer ertragen: wie kann ich das ändern?

Die Schweizer Rechtslage ist klar, sie muss aber von verantwortungsvollen BürgerInnen lokal eingefordert werden.

1990 hat das Bundesgericht im Fall Cadro (BGE 116 Ia 252) entschieden, dass das Kreuz nicht vereinbar ist mit mit dem spezifischen Gebot der konfessionellen Neutralität der öffentlichen Schulen. Klage gegen Cadro hatte ein Lehrer, Mitglied der Freidenker-Vereinigung der Schweiz, geführt.

Die FVS hat im Zusammenhang mit dem Rekurs Italiens gegen den Kruzifixentscheid von Strassburg eine Pressemitteilung herausgegeben und bietet seither einen Musterbrief für Eltern an: http://www.frei-denken.ch/de/2009/11/musterbrief-gegen-kruzifix-im-schulzimmer/

Wir sind sehr interessiert an den Reaktionen der zuständigen Behörden auf das Schreiben.

Am 18. März 2011 hat die grosse Kammer des Europäischen Gerichtshofes für Meneschenrecht das einstimmige Urteil der kleinen Kammer von 2009 aufgehoben.  Das Gericht verweist die Frage in den Beurteilungsspielraum der Staaten. In der Schweiz hat das Bundesgericht 1990 entschieden, dass der Staat an öffentlichen Schulen konfessionsneutral zu sein habe. In der Schweiz hat das Bundesgericht 1990 entschieden, dass sich das Kruzifix im Schulzimmer nicht mit der gebotenen Neutralität des Staates verträgt. Es ist zu erwarten, dass das Bundesgericht dabei bleibt.  Mehr zum Strassburger Urteil >>

Achtung Lehrmittel!

Es gibt in der Schweiz keine Stelle, welche die Lehrmittel zertifiziert. So konnte es geschehen, dass 2007 das Berner NMM-Lehrmittel NaturWert zur Evolution mit Ausschnitten aus einem evangelikalen Lehrbuch, welches die Evolution kritisiert und das Intelligent Design propagiert. Mehr zum Fall: http://www.schule-und-evolution.ch

Die FVS stellt eine Liste zusammen von Lehrmitteln, die nicht empfohlen werden und stellt Alternativen vor. http://www.frei-denken.ch/de/2009/08/achtung-lehrmittel/ Wir fordern Eltern und Lehrkräfte auf, uns Lehrmittel zur Überprüfung zu melden.

Musik

Heute war ich bei meinem 6 jährigen Jungen auf Schulbesuch (Kt BE). Zum Abschluss der "Deutschstunde", sangen sie folgende Liedzeile: "Mängisch dänksch vilecht, das cha nid sy, dä Wäg da düre isch viel z schwär für mi. Doch Gott är hilft dir und begleitet di, isch immer da, egal wohi du geisch, är isch derby".  Auf Nachfrage bei Benjamin, meinte dieser, dass er ein "Büchli mit Lieder habe und sie ein Musical machen"- basierend auf den "frommen" Texten. Meine Frage wie viel an frommer Gottesdidaktik muss ich mir an einer öffentlichen Schule gefallen lassen? Was kann ich dagegen unternehmen?

Spätestens seit dem hochinteressanten SF-Bericht der Rundschau wissen wir, dass evangelikale Lehrer systematisch durch die Vereinigten Bibelgruppen VBG darin unterstützt werden, ihr Gedankengut in die regulären Unterrichtsfächer einfliessen zu lassen. Als erster Schritt sollten Sie das Gespräch suchen mit der Lehrperson und sich das Liederbüchlein zeigen lassen. Erklären Sie im Gespräch ruhig, dass religiöse Lieder oder gar Musicals in der Volksschule nichts zu suchen haben. Verweisen Sie auf Art. 15 der Bundesverfassung. 4 Niemand darf gezwungen werden, einer Religionsgemeinschaft beizutreten oder anzugehören, eine religiöse Handlung vorzunehmen oder religiösem Unterricht zu folgen.

Auch im Artikel 14 der Berner Verfassung steht: 2 In keinem Fall ist es zulässig, jemanden zu einer religiösen Handlung oder zu einem Bekenntnis zu zwingen.

Wenn die Antworten Sie nicht befriedigen, wäre die nächste Instanz die Schulleitung. Falls Sie weitere Unterstützung brauchen, melden Sie sich bei uns.  Allenfalls können wir Ihnen auch jemanden als Begleitung anbieten.

Musicals und Kinderlieder als Missionsstrategie der Evangelikalen

Beim beschriebenen Lied / Musical handelt es sich um Werke von Christoph Fankhauser. Auf CD-Titeln wie "Angsthase-Boogie" verbreitet er seine religiösen Kinderlieder. Seine CDs werden vom christlichen Verlag Adonia herausgegeben. Er gehört zu Adonia, einer musikbetonten Jugendorganisation der Evangelischen Allianz, der sich auf  "Schulmusicals", Kinderkonzerte etc. als Missionsstrategie spezialisiert hat. Die betreffenden Eltern aus der obigen Zuschrift haben nach dem Besuch des Musicals das Gespräch mit den Lehrkräften gesucht und hat dabei festgestellt, dass die Lehrerschaft einer Freikirche angehört und das Vermitteln von Religion als ihre Aufgabe und Mission versteht. Darauf haben die Eltern das Kind von der Schule genommen.

Obligatorische Fächer

Unser Kind besucht im Kanton Zürich das Fach Religion und Kultur. Ist dieses Fach religionsneutral?

Die FVS kritisiert das Fach seit seiner Einführung. Zwar wurde sie in den Beirat zur Lermittelevaluation einbezogen, tatsächlich kommt aber im Lehrstoff des Faches eine religionsfreie Weltanschauung in keiner Weise vor. Das Fach, welches obligatorisch ist, darf nicht dazu führen, dass sich Kinder, die sich nicht in einem religiösen Umfeld bewegen, unter Druck gesetzt fühlen. Doch genau das ist zu befürchten mit dieser einseitigen Gewichtung. So zu tun als hätte unser Kulturraum nie eine Aufklärung durchgemacht, ist fahrlässig und unerhört.

Die FVS unterstützt Eltern, die sich aus diesem Grund weigern, ihre Kinder an diesem Unterricht teilnehmen zu lassen.

Rechtliche Fragen

Das Verhältnis von Staat und Kirchen/Religionen ist in der Schweiz kantonal geregelt. Im konkreten Fall müssen deshalb die kantonalen Gesetze berücksichtigt werden. Auf der FVS-Geschäftsstelle arbeitet eine Juristin. Sie bietet Ihnen kostenlose Beratung an.

Religionsfreiheit

Es gibt ein  Bundesgerichtsurteil von 1897 (eines der ältesten!): “Da der Inhaber der väterlichen Gewalt über die religiöse Erziehung seiner Kinder bestimmen kann, darf er diese auch dem in den öffentlichen Schulen erteilten “religiösen Unterricht” entziehen. Ein biblischer Geschichtsunterricht, der im Lehrprogramm speziell die Bibel und das neue Testament vorgesehen hat, kann nicht als historischer Unterricht im Sinne von Geschichte angesehen werden. Deshalb darf er auch nicht als obligatorisches Schulfach erklärt werden.”

100 Jahre später bestätigt: 1997: 2P.420/1997 “Religionsunterricht”: dort heisst es, “die verfassungsrechtlichen Garantien schützen vielmehr vor staatlichem Zwang zum Besuch von (konfessionellem) Religionsunterricht an öffentlichen Schulen, indem dieser ausschliesslich als fakultatives Fach auf freiwilliger Basis angeboten werden darf (E. 5).”

Praktisch wird das in den Kantonen mit einem Dispensationsrecht gehandhabt.

“Teaching about religion” im Sinne des Faktenwissens über die Religion als Phänomen kann als religionswissenschaftlich bezeichnet und akzeptiert werden. Es kann in der Allgemeinbildung als Kulturphänomen einen Platz haben. Allerdings versuchen die Kirchen überall, dieses Wissenschaftsverständnis zu verdrehen. Unter dem Namen “Religion und Kultur” wird heute in vielen Kantonen deshalb Religion in neuen Schläuchen verkauft.

http://www.frei-denken.ch/de/2010/02/religionsunterricht-und-religionsfreiheit/

http://www.frei-denken.ch/de/2009/04/religionsfreiheit-von-kindern/

Religionsmündigkeit

Bis zum 16. Geburtstag eines Kindes können die Eltern über dessen religiöse Erziehung bestimmen. Sie unterschreiben deshalb z. B. auch Dispense. Ab dem 16. Geburtstag gelten die jungen Menschen als religionsmündig und können selbstständig über ihre Teilnahme an religiösem Unterricht bestimmen.

Mehr zur Religionsfreiheit von Kindern.

Religionsunterricht

Wir sind konfessionsfrei. Trotzdem würden wir unser Kind gerne am Religionsunterricht teilnehmen lassen.

Wo Religionsunterricht angeboten wird, wird er in der Regel von den Kirchen angeboten. Sie müssen sich also mit den Verantwortlichen für den jeweiligen Unterricht in Verbindung setzen. Die Klassenlehrkraft oder die Schulleitung kann Ihnen sagen, wer das ist. In der Regel sind die Verantwortlichen bereit, auch konfessionsfreie Kinder zum Unterricht zuzulassen. NEU:  im Kanton Zug verlangt die Kirche ab 2010 von den Eltern einen Kostenbeitrag von Fr. 100.- bis 400.-: http://www.20min.ch/news/zentralschweiz/story/Keine-gratis-Religionsstunden-mehr-14388906

Schöpfungsgeschichte

Meine Tochter geht in die 4. Klasse der Primarschule (Kt. SO). Sie ist nicht getauft und vom Religionsunterricht dispensiert. Heute erzählt sie mir, dass die Lehrerin ein neues Geschichtsthema eingeführt hat: «Wie die Erde entstanden ist». Sie begann offenbar mit einer Klassen-Umfrage, wer an den Urknall glaube und wer an Gott (Mehrheit war für Urknall). Darauf informierte die Lehrerin, dass sie nun diese beiden Modelle 'durchnehmen' würden. Meine Frage an sie: Gibt es eine Weisung an staatliche Primarschulen, dass solche Inhalte (bzw. die biblische Schöpfungsgeschichte) ausschliesslich in den Religions-, nicht aber in den regulären Unterricht gehören?

Lehrpläne und Weisungen sind kantonal äusserst unterschiedlich und in der Regel nicht so detailliert. Es kommt deshalb sehr auf die Lehrperson an, wie sie mit dem Thema umgeht. So können in der gleichen Gemeinde bereits Mittelstufen-Kinder detailliert in Darwins Evolutionslehre eingeführt werden, während Gleichaltrigen dieses Thema komplett vorenthalten wird.

Wir empfehlen Eltern, das Gespräch mit der Lehrperson zu führen oder auch die Frage am Elternabend ganz allgemein in den Raum zu stellen. Es ist wichtig, dass Eltern der Schule vertrauen können. Die FVS unterstützt Sie gerne.

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