Symbolartikel will religiösen Heimatschutz statt Religionsfreiheit

10.512 Parlamentarische Initiative

Die Bundesverfassung wird wie folgt ergänzt:

Symbole der christlich-abendländischen Kultur sind im öffentlichen Raum zulässig.“

Begründung

Die Debatte um das Kreuz stellt eines der Symbole unserer christlich-abendländisch geprägten Kultur infrage. Unsere historisch gewachsene Kultur kennt verschiedene Symbole wie das Kreuz in seinen verschiedensten Formen, den Bildstock, das Lamm, die Weihnachtskrippe, Bilder des Abendmahls und viele andere. Diese Symbole sind verbunden mit unserer Geschichte und sehr oft auch als Zeichen des Glaubens in der Öffentlichkeit ersichtlich. Speziell das Kreuz steht aber nicht nur fr den Glauben, sondern auch fr den Schutz des Landes und ist Symbol des Friedens, des sozialen Gedankens der Bergpredigt, des abendländischen Grundrechtsverständnisses und Zeuge unserer schweizerischen Kultur.

Symbole der christlich-abendländischen Kultur sollen in der Öffentlichkeit ihre Berechtigung haben. Das heisst, im öffentlichen Raum, wie z. B. auf Bergspitzen, in Parks, an Strassen und Wegen und in öffentlichen Gebäuden, sollen diese Symbole zugelassen sein.

Unsere rechtlichen Grundlagen, insbesondere auch unsere Verfassung, sollen dies festhalten, damit nicht Einzelpersonen oder einzelne Gruppierungen unter Bezugnahme auf individuelle Grundrechte wie Glaubens- und Gewissensfreiheit unsere schweizerische Kultur infrage stellen können.

http://www.parlament.ch/d/mm/2011/Seiten/mm-spk-n-2011-05-20.aspx

Gegenargumente:

1. Die Schweiz strotzt vor christlichen Symbolen!

Die Initiative erweckt den Eindruck, christliche Symbole wären heutzutage verboten.

Tatsache ist, dass eine öffentliche Debatte entstanden ist über die Zeitgemässheit des christlichen Kreuzes in Gebäuden der öffentlichen Verwaltung und in der Landschaft. Diese Kreuze haben oftmals eine Tradition von kaum mehr als 50 Jahren.

2. Keine Privilegierung christlicher Symbole!

Der geforderte Verfassungsartikel würde auf höchster Gesetzesstufe die Symbole eines bestimmten religiösen Bekenntnisses bevorzugen.

Die Formulierung geht über die Erhaltung traditioneller Symbole hinaus und privilegiert auch neue christliche Symbole.

Weniger klar ist, ob daraus der Umkehrschluss zu ziehen ist, dass nämlich andere Symbole nicht zugelassen sein sollen.

3. Religiöser Heimatschutz unangebracht in einem säkularen Land!

Die Initiantin versucht mittels des Heimatschutzgedankens die religiöse Möblierung des öffentlichen Raumes aufrechtzuerhalten und womöglich weiter auszubauen. 64% der Bevölkerung steht aber den Kirchen und ihren Symbolen distanziert gegenüber. Die gelebte Religiosität in der Schweiz stimmt keineswegs mit der traditionellen Symbolik überein.

4. Welche Symbole soll die Eidgenossenschaft schützen?

Die Initiantin betont vor allem das Kreuz, das nicht nur Glaubenssymbol sei, sondern auch für den Schutz des Landes stehe, Symbol des Friedens, des sozialen Gedankens der Bergpredigt, des abendländischen Grundrechtsverständnisses und Zeuge unserer schweizerischen Kultur sei.

Es kann nicht im Interesse der Schweizer Demokratie sein, die Geschichte in diesem Sinne zu verfälschen:

Schutz des Landes“ Diese Sichtweise ist eine religiöse, der nichtreligiöse Menschen nicht zustimmen können.

Symbol des Friedens“ In der Schweiz haben Anhänger des Kreuzes einander auch gewaltsam bekämpft. Allenfalls kann das Schweizerkreuz als Symbol der Friedfertigkeit gedeutet werden, dieses wird aber nicht als religiöses Symbol verstanden.

Sozialer Gedanken der Bergpredigt“ Das Kreuz ist historisch ein Symbol drastischer Bestrafung und Erniedrigung durch die Obrigkeit. Soziale Errungenschaften mussten in Europa zu oft gegen die Macht der Kirchen erkämpft werden, als dass diese sie für sich reklamieren könnte. Gerade in jüngster Zeit wurde aufgedeckt, dass da, wo die organisierte Religion soziale Aufgaben wahrnahm, die Rechte der Menschen keineswegs besser geschützt waren als anderswo.

Die Sozialziele sind in der Verfassung explizit enthalten. Sie entsprechen dem gesellschaftlichen Konsens und werden nicht religiös begründet.

Abendländisches Grundrechtsverständnis“ Auch die Menschenrechte wurden von verantwortungsvollen Menschen formuliert und proklamiert, welche sich keineswegs einer einheitlichen religiösen Tradition verpflichtet sahen, sondern vielmehr die ernüchternde Erfahrung machen mussten, dass im „christlich-abendländischen“ Europa ein Holocaust möglich war.

Zeuge unserer schweizerischen Kultur“ Zwar hat das Christentum die Schweizer Kulturgeschichte zweifellos geprägt. Zeitzeugen können auch durchaus unter Heimatschutz gestellt werden. Neue Symbole können aber unter diesem Gesichtspunkt nicht aufgestellt werden.

5. Welcher „Öffentliche Raum“?

Auslöser der Initiative waren zwei Konflikte um Kruzifixe in Schulzimmern der öffentlichen Schule. Weder der Initiativtext noch die Begründung der Initiantin geht auf die spezielle Frage der öffentlichen Schulen ein oder anderer Orte, wo der Staat den BürgerInnen hoheitlich gegenübertritt.

6. Religionsfreiheit schützen!

Die Initiative zielt eigentlich auf das Aushebeln der Glaubens- und Gewissensfreiheit, welche explizit die Minderheiten vor der Bedrängung der Mehrheitsreligion schützen will.

7. Laizität als Voraussetzung für die Volksschule der Zukunft!

Im Fall Cadro 1990 sagte das Bundesgericht: Die Laizität des Staates lasse sich als eine Verpflichtung zur Neutralität umschreiben, die dem Staat auferlege, sich bei öffentlichen Handlungen jeglicher konfessioneller Erwägungen zu enthalten, die geeignet wären, die Freiheit der Bürger in einer pluralistischen Gesellschaft zu verletzen. Die konfessionelle Neutralität, zu der der Staat angehalten sei, erhalte besonderes Gewicht im Bereich der öffentlichen Schule, weil der Unterricht für alle obligatorisch sei, ohne jede Unterscheidung nach Bekenntnissen.

Die BV sehe einen verstärkten Schutz der Rechte für die nicht anerkannten konfessionellen Minderheiten vor, wie auch für die Personen, die sich zum Atheismus und zum Agnostizismus bekennen oder in religiösen Angelegenheiten gleichgültig seien.

Die traditionell vorherrschenden Religionen in der Schweiz dürften den (staatlichen) Behörden im Bereich der Schule keine Verhaltensweisen aufdrängen, die geeignet seien, die religiösen Gefühle von Schülern und Eltern anderer Überzeugungen zu verletzen.

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